Samstag, 10. April 2010

Zauberlehrling


oder die ich rief die Geister...
(das wunderbare Bild habe ich mir hier geklaut)
Goethe schriebs, doch jeder kennt die Situation, in die er dort seinen "Helden" warf
und nun lese ich eine Diskussion im Forum von Mixology und höre gelegentlich auch Klagen von Kollegen, über diese ganzen Cocktailnerds und ewig diskutierender Bartender.

Doch für mich persönlich hat das wenig mit Cocktailnerds und Kollegen zu tun, sondern einfach mit einfachen Regeln des alltäglichen Umgangs. Mir wird immer wieder vorgeworfen - ich wäre zu hart mit meinen Gästen, würde sie permanent massregeln und ähnliches. Meist wird mir das von Leuten vorgeworfen, die zum ersten Mal in meiner Bar sind und wahrscheinlich es auch an Tagen waren, als es extrem voll war. Etwas was glücklicherweise nur selten vorkommt, denn meine Bar funktioniert nach anderen Regeln,
aber diese Regeln sind simpel, aber leider auch nur für diesen Typus von Bar sinnvoll.
Sei daheim, sei bei Freunden!

Sowohl daheim als auch bei Freunden nehme ich Rücksicht auf die Umstände und weiss wann ich es krachen lasse und wann ruhiger - die bessere Wahl ist.
Auch bei mir kommt es vor das Gäste, leider nicht die genügende Aufmerksamkeit erhalten, die sie aber eigentlich verdient hätten und auch mir passiert es zuweilen das Gäste ein wenig von meiner Tagesstimmung abbekommen. Um das aber so gut wie möglich zu reduzieren, habe ich beschlossen mehr Zeit für meine Gäste zu haben und weniger Gäste zu zulassen, aber ihnen auch all die Zeit zu gönnen, die sie brauchen und verdienen.
Ob es nun das Rezept auf Seite 164 des Savoy-Cocktail-Buches ist, oder die Erstausgabe des Leo Engel, einer der ganz seltenen Bitter oder eine Reservierung im ständig ausgebuchten Restaurant - das ist mir egal...
Denn das ist Rezept auf Seite 164 oder auch das auf Seite 123 ist doch nur ein Schrei nach Aufmerksamkeit, der richtig gedeutet sein will:
Achtung!! Hier sitzt ein Gast, der viel Hinwendung braucht und dafür sind wir nunmal auch da und mit Sicherheit wäre es falsch nun unbedingt das Savoy-Cocktailbuch auswendig zu lernen. Jemand wie Herr Scholl wäre mit Sicherheit nicht so ein erfolgreicher Bartender, wenn er nur das lesen der Cocktailbücher als Hobby hätte...

Wir Bartender sind Hüter eines kleinen, aber unauffälligen Kelches und dieser Kelch beinhaltet Gästefürsorge alias liquid Atmosphere.
Red Bull an meiner Bar wozu???
Weil ein Gast einen damit beauftragt, ihm ein Getränk zu machen.
NEIN!
Red Bull als kleine Aufmerksamkeit, die einen lieben Gast sehr glücklich machen würde?
Vielleicht!
Red Bull als freiwilliges Angebot für einen Gast, der das zwar gerne trinkt,
aber es niemals von mir verlangen würde, weil er das Konzept der Bar vollkommen respektiert.
Gerne!!!

Ich versuche meine Gäste, mit meinen Gästen bekannt zu machen und ihnen den passenden Abend zu generieren, den sie auch heute so dringend brauchen.
Einen Abend - den sie sich so sehr wünschen, aber es kaum mehr zu artikulieren wissen.
Ich lese eine Menge, aber merke Tag für Tag, das die Liste der Bücher, die ich unbedingt noch lesen sollte viel schneller wächst als, die die ich bereits gelesen habe und wir sprechen hier nicht nur über Barbücher. Seit Monaten liegt Dantes Göttliche Komödie auf meinem Nachtisch und ich schaffe es nicht zum Ende...

Wenn es im Leben einer Person nicht viel mehr als Arbeit, Spirituosen, Facebook und andere virtuelle Netzwerke gibt, dann ist es doch auch logisch - warum die Themen den Menschen beherrschen und er gar nicht mehr umschalten kann. Schon lange muss ich immer wieder sehen, wie Kollegen ganz und gar von ihrer Arbeit verschlungen werden und aufhören ein anderes echtes, soziales Umfeld, als das der Arbeit zu haben.
Für viele Leute bin ich so ein Nerd, aber in Wirklichkeit ist die Bar nur eine meiner vielen Leidenschaften und ich habe zwar nur wenige Freunde, aber diese sind alle echt.
Einige davon habe ich in meiner Bar kennengelernt, andere im Cafe oder beim einkaufen,
manche sind mir förmlich entgegenfallen und manche habe ich im Netz gefunden.
Ich habe aber auch gelernt, manchen die Meinung zu sagen, von anderen aufmerksam deren Meinung zu respektieren und bei anderen ihnen zu helfen oder das ich mich geirrt habe in ihnen.

Ich lieben meinen Beruf und liebe die Herausforderung der Gäste, aber wer glaubt das ich deshalb nachts nicht schlafen kann, sobald einer mich von ihnen kritisiert oder mich einen ganzen Abend am Tresen nervt, der kennt mich schlecht.
Cocktailnerds und auch maulende Kollegen sind stets gern bei mir gesehen, aber sie wissen auch was sie erwartet. Einer der zuhört, aber auch seine eigene Meinung dazu hat.
Einer der vielleicht auch mal unangenehm ist, aber auch Zeit für sie hat und auch harte Worte erträgt.
Diese Art von Cocktailgeeks und Nerd-Gäste, die leidenschaftlich unseren Beruf verehren und viel ihrer Freizeit dafür opfern, sie haben es verdient, das wir sie zu verstehen versuchen und uns nicht nur darüber aufregen wie anstrengend sie sind. Sie sind es die unseren Beruf wirklich schätzen und auch viel, viel Geld bei uns lassen... Sie akzeptieren aber auch klare Regeln und Kritik, die wir äussern.

Geeks und Nerds mag ich!, wenn auch nicht jeden Tag gleich! ;-)

2 Kommentare:

  1. Schöner Beitrag!

    Meiner Meinung nach haben jene Leute, die zu Zwölft (!!!) in eine Bar gehen und derart obskure Drinks bestellen (noch schlimmer: gerade aus diesem Grunde in die Bar fahren), das Konzept und die Idee, was eine Bar wirklich ist, vollkommen misstverstanden. Wie Du sagst, es ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes und der alltäglichen Anstandsregeln. Ein guter Bartender will ja auch nicht meine Meinung zu seiner letzten Kreation hören, an dem Tag, wo ich mit meinem Kolleg oder Geschäftspartner in wichtigen Gesprächen vertieft bin.

    Beste Grüsse an die Triobar.

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  2. ich schwör auf meine mutter, ich fick deine mutter

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